Es war einmal eine Zeit im Jahr, in der es kalt und dunkel war. Die Menschen trugen warme Jacken aus Wolle und aus Erdöl, und abends saßen sie in ihren Stuben zusammen und wärmten einander.
Die Menschen hießen diese kalte Zeit den Winter. An einem der letzten Winter, an die die Alten sich erinnern konnten, an einem Winter, der schon so warm und mild war wie kaum ein Winter zuvor, kam eine Seuche über die Menschen in unserer Stadt, in unserem Land und über die ganze Welt. Und die Könige waren in großer Sorge, und so fragten sie die Weisen bange, woher die Seuche käme. Und die Weisen sagten: In einem fernen Königreich im Osten ist sie von den Fledermäusen und den fremdartigen Schuppentieren auf den Menschen gekommen, und viele Menschen sind an ihr gestorben. Die Krankheit ließ die Menschen fiebern, und sie rochen den Duft des Bratens nicht mehr, und sie schmeckten das Saure des Weines nicht mehr, und die Krankheit nahm ihnen die Luft, und die Menschen fürchteten sich sehr.
Und die Könige und ihre weisen Berater befahlen daher, dass die Menschen nicht mehr aus ihren Häusern gehen sollten. Und die Alten saßen allein in ihren Wohnungen, fernab von den Wohnungen der anderen Menschen, und die Kinder lernten nicht mehr, und die Männer spielten nicht mehr Ball; die Frauen aber sollten sich an das Spinnrad setzen und das Garn spinnen und aus dem Garn Masken nähen, so dass die Krankheit nicht den Weg in Mund und Nase der Menschen fände. Und die Frauen spannen und spannen, und andere Frauen setzten die Masken auf und pflegten die Kranken, und die Alten waren einsam, und die Männer langweilten sich, und die Kinder langweilten sich. Und als hätten die Frauen sich allesamt an einer verwunschenen Spindel gestochen, fielen die Stadt, das Land und die ganze Welt plötzlich in einen tiefen Schlaf. Da schliefen auch die Pferde im Stall, die Hunde im Hofe, die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja, das Feuer, das auf dem Herde flackerte, ward still und schlief ein, und der Braten hörte auf zu brutzeln, und der Koch, der dem Küchenjungen, weil er etwas versehen hatte, in den Haaren ziehen wollte, ließ ihn los und schlief. Und der Wind legte sich, und auf den Bäumen vor dem Schloss regte sich kein Blättchen mehr, und um die Spielplätze wuchs ein fremdartiges glattes und glänzendes Kraut, ein Flatterkraut, in Rot und in Weiß, so dass sie ganz verdeckt waren.
Niemand weiß, wie diese Zeit zu Ende ging. Aber eines Tages erwachten die Menschen und fanden die Spielplätze auch dieser Stadt verlassen und umwuchert von dem seltsamen Kraut. Und um der Menschen zu gedenken, die an der Seuche gestorben waren, und um der Frauen zu gedenken, die in den engen Kammern ihr Garn gesponnen hatten, wickelten sie das Kraut um eine Säule inmitten der Stadt, so dass die Säule, wie jene ihrer Vorfahren, an die große Seuche erinnerte. Und dann versammelten sie sich um die Säule und beteten, dass die Seuche nie zurückkommen möge.
Das Märchen vom Flatterkraut
Es war einmal eine Zeit im Jahr, in der es kalt und dunkel war. Die Menschen trugen warme Jacken aus Wolle und aus Erdöl, und abends saßen sie in ihren Stuben zusammen und wärmten einander.
Die Menschen hießen diese kalte Zeit den Winter. An einem der letzten Winter, an die die Alten sich erinnern konnten, an einem Winter, der schon so warm und mild war wie kaum ein Winter zuvor, kam eine Seuche über die Menschen in unserer Stadt, in unserem Land und über die ganze Welt. Und die Könige waren in großer Sorge, und so fragten sie die Weisen bange, woher die Seuche käme. Und die Weisen sagten: In einem fernen Königreich im Osten ist sie von den Fledermäusen und den fremdartigen Schuppentieren auf den Menschen gekommen, und viele Menschen sind an ihr gestorben. Die Krankheit ließ die Menschen fiebern, und sie rochen den Duft des Bratens nicht mehr, und sie schmeckten das Saure des Weines nicht mehr, und die Krankheit nahm ihnen die Luft, und die Menschen fürchteten sich sehr.
Und die Könige und ihre weisen Berater befahlen daher, dass die Menschen nicht mehr aus ihren Häusern gehen sollten. Und die Alten saßen allein in ihren Wohnungen, fernab von den Wohnungen der anderen Menschen, und die Kinder lernten nicht mehr, und die Männer spielten nicht mehr Ball; die Frauen aber sollten sich an das Spinnrad setzen und das Garn spinnen und aus dem Garn Masken nähen, so dass die Krankheit nicht den Weg in Mund und Nase der Menschen fände. Und die Frauen spannen und spannen, und andere Frauen setzten die Masken auf und pflegten die Kranken, und die Alten waren einsam, und die Männer langweilten sich, und die Kinder langweilten sich. Und als hätten die Frauen sich allesamt an einer verwunschenen Spindel gestochen, fielen die Stadt, das Land und die ganze Welt plötzlich in einen tiefen Schlaf. Da schliefen auch die Pferde im Stall, die Hunde im Hofe, die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja, das Feuer, das auf dem Herde flackerte, ward still und schlief ein, und der Braten hörte auf zu brutzeln, und der Koch, der dem Küchenjungen, weil er etwas versehen hatte, in den Haaren ziehen wollte, ließ ihn los und schlief. Und der Wind legte sich, und auf den Bäumen vor dem Schloss regte sich kein Blättchen mehr, und um die Spielplätze wuchs ein fremdartiges glattes und glänzendes Kraut, ein Flatterkraut, in Rot und in Weiß, so dass sie ganz verdeckt waren.
Niemand weiß, wie diese Zeit zu Ende ging. Aber eines Tages erwachten die Menschen und fanden die Spielplätze auch dieser Stadt verlassen und umwuchert von dem seltsamen Kraut. Und um der Menschen zu gedenken, die an der Seuche gestorben waren, und um der Frauen zu gedenken, die in den engen Kammern ihr Garn gesponnen hatten, wickelten sie das Kraut um eine Säule inmitten der Stadt, so dass die Säule, wie jene ihrer Vorfahren, an die große Seuche erinnerte. Und dann versammelten sie sich um die Säule und beteten, dass die Seuche nie zurückkommen möge.
Text: Jörn Etzold